Raunachtzauber

Liebe Jägerschaft,

das Jahr geht zu Ende und der Winter zeigt sich von seiner schönsten Seite. Während die Kinder fröhlich mit hochroten Wangen den Rodelschlitten talwärts lenken, zeigen die Größeren ihr Können auf den Brettel`n oder dem Schneebrett. Die Altvorderen schauen aus dem Fenster auf Frau Holles Pracht und denken ob der Glätte und an das Heizmaterial.

Nun schlägt das echte Jägerherz höher und eine Stimme raunt dem Jäger zu: Eine NEUE, eine NEUE, hinaus, hinaus! Nichts hält ihn nun mehr an der Werkbank oder dem Schreibtisch. Er muß hinaus in dem aufgeschlagenen Buch der Natur Fährten und Spuren lesen. Nun werden die Filzstiefel vom Haken genommen, das Wattezeug gesucht, die Kirrbrocken für den Luderschacht nicht vergessen, der Sack Heu für Has und Reh fehlt nicht und die Fuhre Eicheln für die Sauen.

Die Rauhnächte nähern sich. Diese mit Mythen und Sagen angefüllte Zeit zwischen Weihnachten und der Ankunft der drei Könige. Die Wilde Jagd braust heran mit dem Tolljäger und seinem Gefolge und dem Schimmelreiter als Herold. Der Aberglaube will es, dass man in dieser Zeit keine Wäsche raushängt, da sich die Wilde Jagd darin verfangen könnte, sie herunterreißt und sie auch zum Leichentuch im kommenden Jahr werden könnte.

Der Mythos berichtet auch in dieser Zeit, nicht vor das Haus zu gehen, um nicht des Wilden Jägers ansichtig zu werden. Besser man bleibt in der warmen Stube, um beim Blei- und Zinngießen mit der Familie und den Freunden die Zukunft so recht zu deuten.

Nun lest was einem Jäger im Schwäbischen vor vielen, vielen Jahren in der Thomasnacht zugestoßen ist.

Schöne Feiertage

Weidmannsheil
Euer Ulrich Kunkel

 

RAUHNACHTZAUBER

Die Zwölf Nächte oder das „kleine Jahr“ kann man von der Thomasnacht bis Neujahr oder von Weihnachten bis zum Dreikönigsfest rechnen. In dieser Zeit ist der Teufel los. Wer da dem Bösen den kleinen Finger gibt, von dem wird er die ganze Hand, wenn nicht noch mehr nehmen.

Das erfuhr ein Jäger zu Weitnau, der sich am Thomasabend, seinem Namenstag, mit gutem Bier einen Rausch angetrunken hatte. In diesem beseligten Zustand wollte er- ausgerechnet in der Thomasnacht noch einen feisten Bock für das Weihnachtsmahl schießen. Also stolperte er los, stieg mühsam bergan und stand vor einem Bock. Der kam mit Augen so groß wie Feuerräder langsam auf ihn zu, wobei er heißen Dampf aus seinen Nüstern blies. Der Jäger wollte sich bekreuzigen, aber die Hand blieb ihm starr. Er wollte die Heiligen um Hilfe anrufen,  aber es versagte ihm die Sprache. So also ist das Sterben, dachte er noch, dann schwanden ihm die Sinne.

Als der Morgen graute, konnte der Jäger die Augen doch wieder auftun, wenn er auch die Gegend, in der er sich befand, nicht mehr kannte. Also hatte ihn wohl die Wilde Fahrt oder das Muotesheer entführt.

Vorsichtig stieg der Mann zu Tal. Da bellte irgendwo ein Hund. Er stellte sich, als der Jäger näher kam, als ein großer, malefizisch schwarzer, zottiger Köter heraus, der sich dem Jägersmann anschloss und ihm schließlich schweifwedelnd vorauslief, als wollte er ihn zu seinem Herrn führen. Da war nun auf einmal mitten in den winterlichen Berghängen ein großes, schwarzes Eisentor, an dem der Hund hinaufsprang. Ein Spalt tat sich auf, der Hund schlüpfte hinein, und alsbald schloss sich das Tor mit solchem Dröhnen, dass ringsum die Tannen schwankten wie Schilfrohr im Wind. Wie sich der erschrockene Jäger genauer umsah, merkte er, dass der Schnee vor dem Tor von tausend Pferdehufen zertreten war und das sich dazwischen tiefe Räderspuren dahinzogen. Sollten sie vom Wilden Heer stammen, das sich offenbar gerade hier aus den Lüften zu Boden gesenkt hat, um im Berg zu verschwinden?

Als der Jäger schweißtriefend im Tal anlangte, waren es lauter fremde Gesichter, die ihm begegneten. Wohl zehn Stunden von Weitnau hatte ihn das Muotesheer abgesetzt. Mit guten Vorsätzen für die nächste Thomasnacht, aber leider ohne Zwerchsack, Hut und Gewehr, kam der Jägersmann schließlich wieder heim.

Veröffentlicht in Allgemein, Jagdliches Brauchtum und verschlagwortet mit , .