Die Legende von der Jungfrau und dem Hirsch

Liebe Jägerschaft,

zum Hubertustag und darüber hinaus möchte ich der geschätzten Leserschar und insbesondere den Liebhabern von Lyrik, Poesie und Romantik aus unserem Jagdverband, diese schöne Legende, in der Glaube, Hoffnung und auch ein Hirsch eine Rolle spielen, nahe bringen.

Weidmanns Heil – Euer Uli Kunkel

Die Legende von der Jungfrau und dem Hirsch

Einst, bei milder Abendkühle, wandelte nach Tagesschwühle, im waldreichen Tangerthal

Eine Jungfrau, sinnig schreitend, noch waldein, als niedergleitend, schon versank der Sonnenball.

Nicht auf Lichtes letzte Funken, Süß in Einsamkeit versunken,

Achtete die fromme Maid; Schon wird Kauz und Uhu rege,

Hastend über Weg und Stege, Deckt die Nacht ihr Schattenkleid.

Jetzt, in Waldes dunkler Mitte, Hemmt die Jungfrau ihre Schritte,

Wendet schnell den Wanderstab.

Doch es leuchten keine Sterne, nur in unheimlicher Ferne

Huscht ein Flämmchen auf und ab.

Ach, es ist des Irrscheins Flattern! Wo der Molche, wo der Nattern, Gift`ge Brut am Boden kriecht;

Die Getäuschte folgt dem Flimmer, Bis ins Waldmoor, tiefer immer hinverlockt, bis Kraft verfliegt.

Auch das Flämmchen nun verschwunden-

Und die grauen Geisterstunden brechen ein, so schaurig kalt.

Grabesruf lichtscheuer Eulen, grimmer Wölfes dumpfes Heulen

Füllt ringsum den düstern Wald.

Neben moosbedeckter Eiche, zwischen sonniges Gesträuche,

Sinkt die Jungfrau schwankend hin; Schilf und Röhricht sind ihr Bette,

Böse Dämpfe haucht die Stätte, schwer beengend Brust und Sinn.

Steigt Entkräftung auch und Grauen, doch im festen Gottvertrauen

Wankt die bange Jungfrau nicht; Gottes Allmacht hochzupreisen singt sie kirchlich fromme Weisen, betet dann voll Zuversicht.

,,Gott im Himmel! hör´ mein Flehen! Laß mich dein Erbarmen sehen!

Herr! Ich baue nur auf Dich! Deine Boten laß entsteigen

Mir den Heimkehrpfad zu zeigen, Herr! Mein Gott! Errette mich!„

Und nach christlichen Gebräuchen, mit des Kreuzes heilgem Zeichen

Segnet sie sich Stirn und Brust; So zum Sterben, wie zum Leben Gottes Willen hingegeben

Reinen Wandelns sich bewußt.

Da zerteilt den Wolkenschleier, plötzlich flüchtgen Blitzes Feuer,

Stille herrscht nun – schauerlich; Und ein Edelhirsch mit lichten, hoch aufstrebenden Gewichten

Naht vertraut der Jungfrau sich.

Flugs mit des Geweihes Sprossen, fühlt die Jungfrau sich umschlossen,

Minnig zart empor bewegt.

Und im leisen Niederbücken, ruhend auf des Hirsches Rücken,

der sie sanft von hinnen trägt.

Lieblich säuselts in den Zweigen, die bis Gipfel an sich neigen

Vor der Jungfrau feierlich; überirdisches Entzücken

Strahlt aus ihren keuschen Blicken, malt auf ihren Lippen sich.

Sie gedenkt der heilgen Sagen, aus der Vorzeit frühsten Tagen,

Zählt der Wundertaten viel; ihre ganze Seele glühet,

Alles Weltliche entfliehet, Andacht nur ist ihr Gefühl.

Tageslicht erdämmert wieder, ein Gewölk senkt sich hernieder,

Und der Hirsch – er ist nicht mehr!

Doch auf ebnem, sichern Pfade, steht die Jungfrau, Gottes Gnade

Rühmend, preisend, hoch und hehr.

Laut verkündet sie voll Freuden, wie der Herr sich ihrer Leiden

In der Stunde der Gefahr, als das Herz ihr schlug am bängsten,

Als sie lag in Todesängsten, hat erbarmt so wunderbar.

Teilte dann ihr reiches Habe, stiftend milde Kirchengabe,

Von Errettungsdank erfüllt.

Und seit manchen hundert Jahren, weiß die Tangerstadt zu wahren des Gedenkens Doppelbild.

Johann Jakob Wilhelm Bornemann (1766-1851)

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